Grippe

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Die Schweinegrippe aus Sicht der Chinesischen Medizin (TCM)

Infektionskrankheiten sind in der Chinesischen Medizin seit langem bekannt und werden auch erfolgreich mit ihr behandelt.

Die Grundlagen hierzu stammen aus dem berühmten „shang hán lùn“, einer Abhandlung über „Krankheiten, die durch Kälte verursacht sind“, die der Arzt „zhang zhongjing“ ca. 220 n. Chr. verfasste. Darin wird beschrieben, wie eine Erkrankung in den Körper eindringt, zuerst die äußeren Körperteile befällt (es kommt zu Frösteln und Muskelschmerzen) und, wenn sie nicht richtig behandelt wird, im folgenden zu Entzündungen wie der Lungenentzündung oder zu chronischer Schwächung führen kann.

Natürlich wurde das Wissen immer erweitert; im 17. Jahrhundert, als neue Seuchen am Yangtse-Fluss auftraten, entstand die Schule der „wärmebedingten Krankheiten“. Mit diesen neuen Theorien wurde es möglich, auch sehr aggressive Infektionen zu therapieren, die schnell zu hohem Fieber führen.

Bei Ausbrüchen neuer Infektionskrankheiten in den letzten Jahren, wie SARS 2002/03 und jetzt der Schweinegrippe (A/H1N1/09), hat sich immer wieder gezeigt, wie wirkungsvoll diese alten Therapien auch heute noch sind.

 

Grippe wird in China sowohl mit Akupunktur und Moxibustion als auch mit Kräutertees behandelt. Der Hauptfokus liegt dabei auf den Kräutern, da diese leicht für tausende von Menschen gekocht und verabreicht werden können.

So berichtete ganz aktuell z.B. China Daily am  16.09.09 und  18.09.09, dass das Gesundheitsamt in Peking sich nach positiven Tests dafür entschieden hat, die Behandlung der Schweinegrippe nicht mit 1 Million Dosen Tamiflu sondern mit traditionellen Kräuterrezepturen durchzuführen.

Bei uns in Deutschland gestaltet sich die Behandlung von Infektionskrankheiten mit Chinesischer Medizin leider schwierig. Wir Heilpraktiker dürfen aufgrund der  Gesetzeslage keine erkrankten Patienten behandeln, die Anzeichen einer Infektionskrankheit zeigen oder gar von einer Erkältung oder Schweinegrippe betroffen sind. Der Fokus muss bei uns also auf der Vorbeugung liegen, denn schon die alten Chinesen wussten, dass ein gesunder Mensch sich nicht vor einer Infektionskrankheit fürchten muss.

 

Zur Behandlung einer Grippe oder auch einer einfachen Erkältung mit Chinesischer Medizin muss kein Erregernachweis erfolgen. Fast alle Infektionskrankheiten beginnen am Anfang mit leichtem Frösteln, dann geht es weiter zu Muskelziehen, evtl. Kopfschmerzen, bevor die Krankheit dann voll ausbricht und es zum Fieber kommt. Dies versetzt die Chinesische Medizin in die großartige Lage, auch neue und bisher unbekannte Infektionskrankheiten wie z.B. die Schweine- oder Vogelgrippe effektiv behandeln zu können.

Dieses erste Stadium einer Erkrankung nennt die westliche Medizin Prodromalstadium, und das rasche Eingreifen in diesem Stadium entscheidet über das Fortschreiten und die Dauer der Erkrankung.

 

Die Schweinegrippe wird aus Sicht der TCM als „wen bìng“, eine stark ansteckende, „wärmebedingte“ Infektionskrankheit angesehen, die hauptsächlich den Brustbereich befällt und schnell zu Entzündungen der oberen Atemwege bis hin zur Lungenentzündung führt. Meist verläuft Sie jedoch harmlos und verursacht nicht mehr Beschwerden als eine gewöhnliche Erkältung mit Halsschmerzen. Die Schweinegrippe befällt vor allem jüngere Menschen und Kinder, die aktiv und scheinbar gesund sind. Jüngere, aktive Menschen entsprechen der Yang-Qualität der chinesischen Medizinlehren und sind somit anfälliger für eine „wärmebedingte“, heiße Krankheit. Zumeist sind gerade diese Menschen auch von vermehrtem Stress geplagt, wodurch sie aufgeheizt werden und ihr Immunsystem geschwächt wird, evtl. liegt auch eine Neigung zur Burn-out-Symptomatik vor.

 

Im folgenden erkläre ich Ihnen die Stadien der Vorsorge und Behandlung einer Grippe mit Chinesischer Medizin

 

 

Stadien der Grippe

1. Vorbeugung

Vorbeugung ist natürlich der wichtigste Faktor bei der Vermeidung von Krankheiten. Wir müssen hier zwei große Punkte unterscheiden: Die Behandlung von Vorerkrankungen und konstitutionellen Schwächen sowie den gesunden Lebenswandel.

Leider sind die wenigsten Menschen ganz und gar gesund. Oft tragen wir diese und jene kleinen Beschwerden mit uns herum, die wir zwar nicht wirklich als Krankheit wahrnehmen, die uns aber darauf hinweisen, dass etwas nicht ganz Ordnung ist in unserem Körper. Diebesonderen Diagnosemethoden der Chinesischen Medizin, die Puls- und Zungendiagnose lassen uns diese subakuten Beschwerden erfassen, bevor sie organisch nachweisbar werden. Und die Chinesische Medizin kann sie mit Akupunktur und Kräutern behandeln. Typisch für unsere Lebensweise und Ernährung ist, dass wir durch zu viel Stress unser Yang schädigen und sich durch zu unnatürliche Ernährung Schleim ansammelt. Diese Pathologie könnte man im allerweitesten Sinne mit dem Konzept der Stoffwechselstörungen und Schlacken der westlichen Naturheilkunde vergleichen.

Konstitutionelle Schwächen können über lange Jahre aus solchen subakuten Vorerkrankungen entstehen (oder auch angeboren oder traumatisch bedingt sein).

In jedem Fall stellen sie eine Schwächung des Immunsystems dar, die meist zu gehäufter Infektanfälligkeit führt. Hier ist eine Diagnose nach der Chinesischen Medizin und eine individuelle Therapie angesagt. Allgemeine Empfehlungen oder eine Selbstmedikamentation sind hier nicht anzuraten.

 

Ein gesunder Lebenswandel war den alten Chinesen sehr wichtig. Es geht um den Ausgleich von Yin und Yang, auf deutsch übersetzt können wir sagen: von Ruhe und Aktivität. Unser Immunsystem braucht genug Schlaf und wird von zu viel Stress angegriffen. Aber wir brauchen auch Bewegung und zwar nicht nur mentale, sondern auch körperliche. Am besten sind tägliche Aktivitäten an der frischen Luft. Diese sollten dabei nicht zu anstrengend sein, denn direkt nach einer erschöpfenden sportlichen Leistung steigt die Infektanfälligkeit sogar an. Der tägliche Spaziergang, wenn möglich bei Sonnenschein im Grünen baut Stress ab, stärkt die Abwehrkräfte und schützt Sie auch vor der Winterdepression.

Eine ausgewogene Ernährung mit viel frischem, gekochten Gemüse hilft Ihrem Immunsystem. Paprika, Brokkoli, Fenchel, Spinat, Kohlrabi, Grünkohl enthalten viel gut verträgliches Vitamin C, während Zitrusfrüchte wie Zitronen, Orangen und Mandarinen durch ihre kühlende Qualität den Körper belasten können und im Übermaß das Immunsystem schwächen.

„Der Geist lenkt das Qi“ heißt es in alten chinesischen Schriften, ich würde es in diesem Zusammenhang dahingehend übersetzen, dass unnötiges Grübeln und Angst vor einer Ansteckung auf jeden Fall kontraproduktiv ist. Sehen Sie der Erkältungssaison mit frohem Mut entgegen, und denken Sie positiv.

 

Vielleicht haben Sie schon einmal etwas vom Dào (Tao) gehört. Es geht dabei darum, sich den natürlichen Abläufen anzupassen. Im Winter sind die Nächte länger, und wir brauchen mehr Schlaf. Es ist kälter, und wir nehmen mehr erwärmende Speisen und Getränke zu uns, die Zeit des Eis-Essens ist vorbei. Es ist die Zeit, in der wir es uns hinter dem Ofen gemütlich machen, unsere Aktivität nicht so sehr nach außen lenken, sondern uns mit uns selbst beschäftigen.

Wenn Sie jetzt denken, das sind alles Gemeinplätze und überkommene Weisheiten, die uns die Chinesen als Perlen der Medizin verkaufen, dann überlegen Sie doch einmal, wann Sie das letzte mal eine Erkältung bekommen haben - wahrscheinlich, als Sie voll im Stress waren und Ihnen ihr Körper eine Ruhepause verordnet hat.

 

2. Kontakt mit Infizierten

Die Schweinegrippe ist stark ansteckend und kann sich sehr schnell verbreiten. Falls Sie größere Menschenmengen nicht vermeiden können, täglich U- und S-Bahn fahren müssen oder jemand in ihrem häuslichen Umfeld erkrankt ist, können Sie sich immer noch schützen.

Schon um die Zeitenwende wussten die Chinesen, dass die Grippe-Erreger nur über Mund und Nase in den Körper eindringen können.

Waschen Sie sich regelmäßig die Hände (normale Seife genügt), vor allem vor dem Essen, und vermeiden Sie es, mit den Fingern die Nase und den Mundbereich zu berühren.

Gehen Sie hustenden und niesenden Mitmenschen weiträumig aus dem Weg, und bitten Sie diese Mund und Nase mit einem Tuch zu bedecken, denn die Viren fliegen sonst etliche Meter weit umher.

Regelmäßige Spülungen mit Salzwasser, wie sie auch aus dem Ayurveda bekannt sind, helfen, die oberen Atemwege zu reinigen. Einfach mit lauwarmem Wasser und etwas Kochsalz (1 g Salz auf 100 ml Wasser) die Nase spülen und auch Gurgeln, am besten morgens und abends.

Dies hilft auch, wenn Sie denn mal schon einen Schnupfen bekommen haben, die Nase wieder frei zu bekommen und die Heilung zu beschleunigen.

Für Zeiten, in denen wir eine verstärkte Immunabwehr benötigen, kennt die Chinesische Medizin Kräutertees wie z.B. yù píng feng tang, den „Jade-Windschutz“. Er ist speziell für geschwächte, blasse Menschen mit blasser Zunge und dient dazu, die Kraft der Lunge und des Abwehrsystems zu stärken. Während früher die Anwendung auf geschwächte Personen beschränkt war, werden solche Tees heute immer breiter zur Vorbeugung eingesetzt. Doch Achtung, diese Kräuter haben ihre ganz beabsichtigte Wirkung: Sie erhöhen den Energiepegel, um die Abwehr zu steigern und können bei unsachgemäßer, zu langer oder nicht indizierter Anwendung zu Unruhe führen. Vor allem auch Frauen in der Menopause bedürfen spezieller Rezepturen, da sich sonst die Hitzewallungen verstärken werden.

 

3. Erste Symptome

Wenn wir auf unseren Körper achten, spüren wir meistens einen Tag oder ein paar Stunden im voraus, dass eine Infektion im Anzug ist. Vermehrte Abneigung gegen Wind, ein erstes, leichtes Frösteln, Raucher berichten, dass ihnen die Zigarette nicht mehr schmeckt.

Jetzt ist der wichtigste Zeitpunkt zum Eingreifen aus Sicht der Chinesischen Medizin. Der Erreger ist in die äußersten Schichten des Körpers eingedrungen, und der Abwehrkampf hat begonnen, vor allem in der Haut und den oberen Lungen.

Klassische Rezepturen wie cong chi tang, die gekochte Frühlingszwiebeln benutzen, werden in den ersten Stunden eingesetzt. Hält der Zustand in den nächsten Stunden oder am nächsten Tag immer noch an, wird der Therapeut stärkere Rezepturen wie guì zhi tang für die klassische „kalte“ Erkältung oder yín qiào tang für „wärmebedingte“ Infektionen wie die Schweinegrippe verordnen.

Ziel ist es, den eingedrungen Erreger, der noch in den oberen Körperschichten sitzt, durch die Haut wieder auszustoßen, indem die Poren geöffnet werden und ein leichtes Schwitzen hervorgerufen wird. Entsprechend können wir hier westliche Kräuter wie Lindenblüten und Holundersaft einsetzen, bei der Schweinegrippe gerne mit Pfefferminze, bei der gewöhnlichen Erkältung eher mit Ingwer gemischt.

Die Therapie heißt auf Chinesisch: „den Angreifer zur vorderen Tür wieder hinaus werfen“, es soll nur kurz geschwitzt werden und das Frösteln aufhören. Längeres und zu starkes Schwitzen, wie z.B. bei einem Saunabesuch, schwächen die Abwehrenergie und wären jetzt kontraproduktiv. Sobald die Poren geöffnet sind, müssen Sie sich noch mehr vor Zugluft schützen, am besten noch eine Tasse des Tees vor dem Zu-Bett-Gehen, und nach einer ausgiebigen Nachtruhe haben Sie die Erkältung höchstwahr-scheinlich schon überstanden. Auch eine scharf gewürzte Suppe mit Frühlingszwiebeln und Ingwer ist in dieser ersten Phase natürlich sehr gut.

 

4. Das Fieber steigt

Konnte der Erreger nicht im ersten Stadium besiegt werden, so dringt er nun in tiefere Körper- und Energieschichten ein und verursacht höheres Fieber. Hier hilft es nicht mehr die Poren zu öffnen und zu schwitzen. Das wäre jetzt sogar äußerst schädlich, da der Körper alle Flüssigkeit im Inneren zur Kühlung benötigt. Stattdessen werden Kräuterrezepte verordnet, die den Körper kühlen und die Abwehr unterstützen, fein abgestimmt auf die gerade betroffenen Organ- und Meridiansysteme.

Hier stützt der Therapeut sein Eingreifen wieder auf die chinesische Puls- und Zungendiagnostik. Während die Zunge bei den ersten Symptomen noch einen hellen evtl. feuchten Belag hat ist sie im Fieberstadium eher gerötet und der Belag verfärbt sich langsam gelb. Bei einer sehr schlimmen Lungenentzündung kann er sich auch ablösen und ganz verschwinden. Das Therapieprinzip lautet hier, den „Eindringling durch die Hintertür hinaus zuwerfen“, da er schon zu weit ins Haus vorgedrungen ist.

Das Fieber kann natürlich auch äußerlich durch Wadenwickel eingedämmt werden. Hält es mehrere Tage an oder steigt sehr hoch, ist ein Gang zum Arzt nötig.

An dieser Stelle eine kleine Warnung zur Selbstmedikamentation und vor allem zu Oseltamivir (Tamiflu). Es hat als wesentlichen Wirkstoff zwar einen Auszug aus Sternanis, ist aber im Verdacht, gar nicht so harmlos zu sein (vor allem bei Jugendlichen könnte es zu Verwirrungszuständen und Halluzinationen führen). Es sollte nur in dringenden Fällen und nur bei einer nachgewiesenen Grippe (Influenza A oder B) eingesetzt werden (den Nachweis müssen Sie beim Arzt inzwischen leider oft selbst zahlen), da es bei der „normalen“ Erkältung unwirksam ist.

 

5. Nach dem Fieber

Nach einer schweren Erkrankung wie der Grippe mit hohem Fieber sollten Sie sich genug Ruhe gönnen und sich nicht zu schnell wieder in die Arbeit stürzen. Sie und ihr Körper benötigen noch ein paar Tage der Ruhe.

Während Sie im akuten Zustand der Grippe auf eine sehr leichte Nahrung achten sollten, ist jetzt wieder stärker Nährendes angesagt. Das traditionelle Rezept für die Rekonvaleszenz ist die lang gekochte Hühnersuppe. Diese (und eine vegetarische Alternative) wurde Ihnen von meiner Kollegin Babette Schwartz schon in ihrem  Artikel über Erkältung beschrieben.

 

 

Nun wünsche ich Ihnen eine erkältungsfreie Winterzeit und hoffe, Sie bleiben von der Grippe verschont. Natürlich stehe ich Ihnen zur Vor- und Nachsorge gerne zur Verfügung.

 

Ihr Torsten Ziegler, Heilpraktiker

Ausgebildet in Chinesischer Medizin, Akupunktur und Chinesischer Kräuterheilkunde.

 

Zum Weiterlesen hier einige Links:

 

 Schweinegrippe in China

Schweinegrippe und  TCM I und  TCM II (englisch)

 Nasenspülung  Tamiflu